Prinz gegen Regent
Der Kaltmamsell ist es zu verdanken, dass die in Berlin gestartete Aktion „Rettet die Prinzregententorte” rezept- wie produktbezogen nach München ausgeweitet worden ist, wo das gute Stück ja herkommt. Als Kaffee-und-Kuchen-Onkel verfolge ich das natürlich mit großem Interesse, vor allem, weil mir die Prinzregententorte (kurz „PRT” nach KMS von VSP) eigentlich nur optiktechnisch vertraut ist, wegen ihrer vielen Schichten. Das mag am Großwerden im Hessischen und Österreichischen liegen, wo man im Zweifel auf das pure Genie im Süßen vetraut – Ribbelkuchen, Sachertorte. Und an meiner Missachtung des Phänomens „Buttercremetorte”. Für die die PRT exemplarisch scheint.
Nach dem die Lizenz zum Selbsttest erteilt worden ist, ging es gestern zum Kuchenholen um die Ecke: zum geschätzten Bäcker Schmidt und zum Cafe Wölfl hinterm Gasteig, von dessen PRT ein Kommentator auf der VSP schwärmt und von dem ich auch sonst viel Gutes gehört habe. Dass einen in dem bäckerschmalen Gang vor der Kuchentheke im Hochparterre gleich dieser typische Duft von einer mit frischen Zutaten arbeitenden Zuckerbackstube anweht, den man aus den Kurstadtkonditoreien der Kindheit kennt, ist ein gutes Zeichen, das geschäftige Treiben und die freundliche Kompetenz hinter der Theke ein zweites (eine Dame und ein Konditor).
Aber das ist bei den Konditoreifachverkäuferinnen des Bäcker Schmidt nicht anders, und eine großartige Fertigkeit beherrschen sie dort schon mal klar besser: Das kunstvolle Einschlagen von Gebäck in Papier. Ich bin ein großer Bewunderer dieser Fachverkäuferinnenkleinkunst, die von Ort zu Ort und von Stück zu Stück ganz verschieden ausfällt und bei versierten Kräften ganz wie von selbst fast ohne Hinschauen von der Hand geht, so wie bei einem erfahrenen Sushikoch. Wenn ich Besuch aus Japan hätte, dann würde ich ihn in dieses zutiefst deutsche Stadtritual einführen, am Sonntag nach der Mittagszeit die örtliche Konditorei aufzusuchen, den Damen beim Einpacken zuzusehen und dann die Preziose durch die Straßen zu tragen, zum Auto, zum Kaffeetisch. Obige Verpackung (Modell „US-Postbox”) kommt dabei einem o-toro-nigiri sehr nahe.
Genug von Form und Fisch, nähern wir uns den Inhalten: zwei Stücke Torte, befreit von Papier und Antihaftfolie. Jedes Mal, wenn mir an fremden Kaffeetischen die Dame des Hauses ein Stück Torte in Richtung Teller hebt und es dort ungefragt mit der Seite aufs Porzellan plumpsen lässt wie eine totgeschossene Kuh , versuche ich mir nicht anmerken zu lassen, dass ich sie in diesem Moment ein ganz klein wenig verachte. Alleine, dass man beim Wölfl die PRT liegend verkauft (links im Bild), bedeutet also schon einen Punkt Abzug.
Auch sonst gewinnt auf den ersten Blick die Schmidtsche PRT zur Rechten optisch ganz klar: Acht Böden und Cremeschichten wie mit dem Lineal gezogen, dazu ein glatter Überzug ohne Schnickschnack – Torten, die ihren Namen auf der Glasur tragen, ist zu misstrauen. Interessant: Im Geschäft wird diese hier nur als „Regenttorte” verkauft – gab es da einen Rechtsstreit wie einst bei der Sacher? Oder ist der Schmidt nur entschiedener Antimonarchist? Wogegen die gleich neben der Regent angebotene (und wunderbare) Esterhazyschnitte steht.
Zurück zum Schmidtschen Inhalt: Der ist auf den ersten Biss und den zweiten Blick eine Enttäuschung. Denn so wie die Torte aus dem Schulmeisterbuch zusammengesetzt ist, so amtlich fad schmeckt sie auch. Der leicht gummige Biskuit leer und ohne Ei im Geschmack, die Creme schwer, fett und fest, die Geschmackspapillen verschließend. Die stumpfe Glasur schmeckt durchaus nach Kakao. Zusammen geht das alles nicht. Mit viel Filterkaffeeklatsch vielleicht, aber danach will man nichts anderes mehr haben.
Die Wölflsche PRT nun dürfte sich wohl in den adligen Konditorei-Cafes der Innenstadt nicht blicken lassen mit ihrem etwas rustikal wirkenden Inneren. Doch die dünne Schicht Kuvertüre außen rum zeigt, dass dies alles andere als eine Hausfrauenversion der royalen Torte ist. Die Schwere der Buttercreme wird durch Schlagsahne „erleichtert”, der Biskuit ist locker mit viel Ei gebacken. Allerdings nicht jeder Boden für sich, vielmehr werden hier Böden aufgeschnitten, so dass sie zum Teil von der (leicht alkoholischen?) Creme aufgeweicht werden, was etwas Punschkrapfiges hat und schön zusammengeht.
Ob es nun sechs, sieben oder acht Böden waren, ließ sich auch beim Öffnen der Rückseite des Stücks nicht ganz klären. Dafür tauchten dort Objekte auf wie einst beim Anbohren der Wände in meinem Kochbüro. Was damals Isarkiesel waren, sind nun zum Glück wie zur Verwunderung Krokantstückchen, die sich nur hier hinten im Teig wie in der Creme unregelmäßig verteilen, ohne dass ein echter Sinn und Zweck darin zu erkennen ist. Ein Versehen? Eine Notlösung? Oder ein genialer Trick des Konditors?
Wir wissen es nicht, aber was wir wissen: diese frisch und gut aus frischen und guten Zutaten bereitete PRT würde vielleicht bei der Konditorenmeisterprüfung in der Theorie schwächeln, an unserem Kaffeetisch aber würde sie in der Praxis klar bestehen – wenn wir denn eine Buttercremetorte wollten. Die Schmidtsche PRT wollten wir auch dann nicht. Dafür würden wir wiederum für seine Esterhazy- und Linzerschnitten noch jede Prinz oder Regent hergeben.
Cafe Konditorei Wölfl
Hinterm Gasteig versteckt sich diese kleine Konditorei im Hochparterre, und statt mit großer Auswahl und perfektem Design zu prunken punktet man hier mit eine Torten, Kuchen und Gebäck aus frischen, guten Zutaten vom Zuckerbäcker mit Herz fürs Hausgemachte. Ein kleines Gastzimmer und Tische am Gehsteig gibt es auch.
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