Einen Packung Passion, bitte!
Der Mittagesser war malad, drum samma jetzad spad. Nun aber wieder. Ein Grund für unseren Mittagstisch, immer wieder: Leute finden. Leute, die gerne kochen und essen und beim Reden darüber nicht nur ans Kochen und Essen denken. Hat geklappt, wenn ich mir hier manche Kommentargirlanden anschaue oder das Zusammenkommen mit ähnlich tickenden Schreibern beim Mittagessen und mehr oder auch das 500. Mittagessen, bei dem wir mit unserem Mittagstisch an die frische Luft ins wahre Leben gingen und alle überlebt haben.
Für Blogkollegen, die nicht in der Nähe wohnen, gibt es einen schönen Brauch unter Foodbloggern: sich gegenseitig Fresspakete schicken. Davon hatte ich schon gehört und gelesen, aber so ganz verstanden hatte ich es bisher noch nicht, wie das geht. Bis eine Österreicherin in London, Johanna The Passionate Cook, eine Nougateigeschichte für eine virtuelles Osterpäckchen wollte und es dann so weit kam, dass sie mir ein Päckchen voller englischer Schokoeier sandte und ich ihr gar nichts, weil ich es vor den Festtagen nicht hingekriegt habe und es mir danach doch zu blöd schien. Zum Dank habe ich dann auch noch nix über ihr Päckchen geschrieben, obwohl da wirklich Interessantes drin war.
So. Dann rief die umtriebige Johanna eine ihrer Päckchenaktionen zum Thema „süße Kindheitserinnerungen” aus und erklärte das auch so gut, dass ich das Wichtigste von Anfang an begriff: Nachdem sich (Food)Blogger bei ihr angemeldet haben, knüpft sie die Verkettungen, teilt also jedem jemandem zu, dem man ein Päckchen voller Naschzeug aus der Kindheit zu schicken hat. Was für mich nach meiner Anmeldung hieß, dass ich irgendwann ein Päckchen Süßes von irgend jemandem in der Welt bekommen würde und dass ich eines mit meinen Leckereien an irgend jemanden in der Welt zu schicken habe.
Teil 1 erfüllte sich dann vorletzte Woche: Wir waren gerade am Anfeuern des Grills für den Steckerlfisch, als der Paketbote eine Schachtel eingeschlagen in französischem Zeitungspapier brachte, die ich in der Eile auf den ruhenden Gasheizofen im Kochbüro stellte. Zwei Tage später fiel mir das wieder ein und ich fand unter der Zeitung eine Champagnerkiste, gefüllt mit allerlei Buntem und auch Selbstgemachtem, von dem leider eine Portion es nicht überlebt hatte, da in einer kühlen Nacht der Gasofen angesprungen war und ein besonderes Mikroklima unterm Zellophan geschaffen hatte – naja, jedenfalls waren diese lecker aussehenden Küchlein ein Fall für die Tonne.
Das bedauert ich umso mehr, als ich von den anderen Keksen probierte – wie alles sehr liebevoll und praktisch verpackte sowie wunderbar mürb knuspriges Shortbread mit Ingwer und Pistazie darin und Schokolade drumherum, wovon ich aber wenig wahrnahm, weil der Grundgeschmack dieser buttrigen Dinger einfach so gut war und sie dazu gerade so dunkel gebacken waren, dass sie leicht geröstet schmeckten, wie ich es auch bei den Heidesand mag.
Shortbread mit Ingwer & Pistazie: +++ (= magnifique; ++ tres bien, + sa va, – un p’tit malheur)
Große Klasse, un p’tit creux?! Das ist der Name des Blogs einer freundlich schauenden Französin, die, nun ja, aus Frankreich stammt und, äh, Petit Creux heißt? Ich weiß es nicht und mein alleine auf die Küche beschränktes Französisch hilft mir da auch nicht weiter und ihre Karte liegt gerade woanders habe ich nun wieder, aber die ist ja persönlich, und was heißt Impressum eigentlich auf Französisch… ach, was zählt sind der Blog und das Päckchen, die beide auf eine so ambitionierte wie talentierte Naschkatze schließen lassen.
Ich jedenfalls hatte bei meiner Anmeldung angegeben, dass ich gerne Lakritz und Gummizeug mag, dazu Schokolade und Cookies. Daran hatte sich die französische Kollegin fast wie ein preußischer Beamter gehalten und dank ’Aribo France waren dann sogar ein paar Bekannte dabei, wie zum Beispiel die Schaumspiegeleier von unserem Betriebsausflug.
+ Marshmallowbären
Außerdem mit auf der Reise in die Berge: Marshmallow-Bären in Schokohülle auf Spieß in Cellophan, die nicht der Brüller waren…
++ Haribo Car en Sac
…während dieses kurz vor Berchtesgaden geleerte Päckchen überraschte: Was wir für eine niedliche französische Version der mit Zuckerguss überzogenen Lakritzstangen „Stafetten” hielten, sind in Wirklichkeit kleine Knackereien mit Anisaroma. Es gibt verschiedene Ansichten darüber, ob die Farben unterschiedlich schmecken – aber gut fanden wir sie alle.
+ französische Gummierdbärchen
Wirklich neu waren mir diese Gummierdbeeren, innen fast flüssig, außen schön knatschig und so schön erdbeerig wie es eine Lila Pause nur sein kann. Auch beim restlichen Gummizeug kam mir das ein oder andere unter, bei dem ich dachte: Kenne ich doch (wie die Schaumgummiechsen oben in der Kiste), aber dann schmeckte es doch irgendwie intensiver. Ob es an meiner erhöhten Aufmerksamkeit oder an Frankreichs besserem Geschmack liegt – man weiß es nicht. Vielleicht sind sie da drüben als geborene Bordeauxmixer, Parfümnasen und Danonen einfach nur die besseren (Kunst)Aromenjongleure?
++ französisches Lakritzschaschlik
Oder hat ’Aribo Allemagne am Ende sich einiges aus Frankreich abgeschaut? Jedenfalls fand ich das französische Souvenir oben aus der Kindheit von Mme. Creux interessanter als die mir hier bekannten gefüllten Lakritzröllchen aus dem Konfekt. (hier auf einem Tretboot auf dem Kleinhesseloher See im Englischen Garten am Sonntagnachmittag verkostet, der perfekte Ort für so einen Test).
++++++++ Lindt Montelimar
Kommen wir zum ersten „Mon Dieu!”: Was hier nach weißer Schokolade mit Mandeln und Aprikosen klingt, ist in Wirklichkeit eine ganz gemein gute Mischung, in der französischer Nougat à la Montelimar (nicht zu vergleichen mit unser Nussnugat, der hier ähnelt ein wenig türkischem Honig) den Ton angibt – einen Ton, der bei jedem Bissen nach Cassata, Torrone oder Zuppa Inglese klingt.
Dass das zusammen trotzdem nicht so penetrant süß ist, wie jede einzelne der in diesem Absatz genannten Süßigkeiten – das ist eine Kunst für sich.
Liegen die Lindts bei den puren Schokoladen bei mir nicht vorne, so haben sie doch eine sehr sichere Hand beim Mischen von Aromen.
+++ französischer Nusszucker
Wieder an Land und zu Hause am Sonntagskaffeetisch die zweite Offenbarung: Nusszucker. Also Kristallzucker, der nach Haselnuss schmeckt.
+++ französischer Nusszucker auf handgeschlagenem Milchkaffee (oder Caffe latte, Latte Macchiato, Cappuccino, Cafe au lait, je nach Wesensart der Macher und Trinker)
Erst habe ich mich gefragt, wie Mme. Creux das hinbekommen hat, beim Blick in Ihren Blog sah ich aber, dass dieses kleine Wunder gekauft ist. Und würde gerne mehr darüber wissen – Kindheitserinnerung oder Neuheit? Wo kriegt man das? Wie macht man das? Wofür nimmt man das? Im Milchkaffee war es prima, ebenso auf Eis gestreut. Gratinieren stelle ich mir auch toll damit vor.
-+ Gateaux dauphinois mirtilles (–Gateaux dauphinois nougat montelimar)
Nicht toll war war dieser „Gateaux dauphinois mirtilles” zum Kaffee – Industriegebäck gefüllt mit eingebackener Heidelbeerkonfitüre und Tankstellenaroma. Noch schlimmer war das noch auf dem Boot angebissene gleich Gebäck mit „Nougat Montelimar”, ein ganz offensichtlich ungeschützter Begriff, denn das Ding taugte nur zum Gänsefüttern. Und selbst die mochten es nicht.
++ Côte d’ Or Amande avec un point de sel
Kommen wir zum salzig-süßen Bethupferl: Milchschokolade von Côte d’ Or mit Karamelmandeln und „avec un pointe de sel”, was ich mal als „mit einer Spur Salz” verstehe und liebevoll als „Daim de luxe” necke. Soll es (wie auch die Montellimar-Lindt) bei uns geben, sagt man.
Mein Fazit: Neue Erkenntnisse zur Globalisierung von Lakritz und Gummizeug, eine glückliche Verwechslung (ich hatte auf meiner Wunschliste Nougat drauf, meinte aber den unsrigen) und großen Dank an die gewissenhafte Sammlerin und großartige Bäckerin irgendwo in Frankreich – die übrigens eine Päckchen aus Finnland bekommen hat. Wer sonst noch was bekommen hat oder kriegen wird, steht hier. Mein Päckchen ging übrigens am Wochende an eine Singaporesin (?) in London. Bin gespannt, was sie zu Salmilollies und Mannerschnitten sagt. (Die Rittersportjoghurt habe ich dann doch da gelassen. Wollte mal sehen, ob sie noch so schmeckt wie da… Oh. Nein.)
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